Konzert Sonntag, 14. Januar 2001 in der Lades-Halle in Erlangen

 

Konzert Erlangen 2001 ProgrammheftgVe Gründungsaufruf Gründungsaufruf

Sonntag, 14.Januar 2001, 19 Uhr
Heinrich-Lades-Halle Erlangen

125 Jahre Gemeinnütziger
Theater- und Konzertverein e.V.
Festkonzert

Grußwort des Oberbürgermeisters Dr. Siegfried Balleis
Grußwort des 1. Vorsitzenden Dr. Ruprecht Kamlah

Erlanger Kammerorchester e.V.
Boris Pergamenschikow   
Violoncello
Dirigent Ulrich Kobilke

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Symphonie Nr. 29 A-dur KV 201 (186a)
I Allegro moderato
II Andante
III Menuetto
IV Allegro con spirito
Joseph Haydn (1732-1809) Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2 D-dur Hob Vllb.2 (op. 101)
I Allegro moderato
II Adagio
III Rondo: Allegro
Rainer Rubbert (geb. 1957) "Gegenwelten" für Orchester
Auftragskomposition anläßlich des 125-jährigen Jubiläums des gVe - Uraufführung
Solovioline: Mathias Bock
Alexander Glasunow (1865-1936) "Chant du Ménestrel"
für Violoncello und Orchester fis-moll op.71
"Sérénade espagnole"
für Violoncello und Orchester op.20 Nr. 2
anschließend Empfang in den Foyers

Grußwort des Oberbürgermeisters

Zum 125-jährigen Gründungsjubiläum des Gemeinnützigen Theater- und Konzertvereins Erlangen e.V. gratuliere ich als Oberbürgermeister sehr herzlich. Es ist mir ein großes Anliegen, auf diese Weise allen Mitgliedern des Vereins meinen Dank und meinen Respekt für ihr wichtiges und erfolgreiches Wirken zum Ausdruck zu bringen.

Der gVe ist nicht nur der älteste, sondern mit seinen über 1.200 Mitgliedern auch der größte Kulturverein Eriangens und damit eine wichtige Bürgerbewegung, die seit ihrer Gründung im Jahr 1876 das kulturelle Leben in unserer Stadt maßgeblich mitbestimmt. Wenn wir heute der Erlanger Kultur ein hohes Niveau bescheinigen, dann ist dies also ganz wesentiich auch mit das Verdienst des gVe und seiner Mitglieder

Saison für Saison entwickeln die Verantwortlichen das richtige Gespür, finden die "richtige Mischung", um dem hohen kulturellen Anspruch, der in Erlangen zweifellos vorhanden ist, gerecht zu werden. Das belegt das Urteil vieler Fachleute, vor allem aber belegt das die hohe Zahl der Konzert- und Theaterabonnements.

Mit den herzlichen Gratulationsgrü&szlit;en zum 125-jährigen Bestehen verbinde ich den aufrichtigen Wunsch, dass es dem Verein auch zukünftig gelingen möge, seine so unverzichtbaren kulturellen wie gesellschaftspolitischen Aufgaben zu erfüllen. Es ist ein Engagement zum Nutzen und zur Freude aller Kunst- und Kulturinteressierten und damit zugleich ein Engagement für die Stadt Erlangen insgesamt.

Dr. Siegfried Balleis
Oberbürgermeister

Grußwort des Kulturreferenten

Fast alles, was in Erlangen zur Kultur gehört, hat der gVe schon einmal organisiert: Kunstausstellungen, Bälle, Theaterproduktionen und natürlich unzählige Konzerte in der weiten Spanne von Klassik bis Moderne.

Seit seiner Konstituierung am 14. Januar 1876 im Saal des Gasthofes "Blaue Glocke" bis zu seiner vorläufigen Auflösung 1937 war der Verein von Bürgerengagement und kultureller Innovationskraft geprägt, bevor er dem Staatszentralismus der Nazis weichen musste. Die rasche Wiedergründung noch im Dezember 1945 belegt die herausragende Bedeutung, die Erlanger Bürger der Kultur gerade in einer Zeit zuerkannt haben, in der um die Voraussetzungen des bloßen Überlebens noch gekämpft werden musste. Die tätige Unterstützung durch Stadt und Wirtschaft, vor allem aber das kulturelle Engagement der weit über 1.200 Mitglieder machen den gVe heute zu einem bedeutenden Verein, der das Erlanger Kultur und insbesondere Konzertleben entscheidend prägt. Er steht als unübersehbares Zeichen dafür, dass kommunale Gemeinschaft ohne Kultur nicht möglich ist. Ich gratuliere dem gVe zu seinem 125. Geburtstag und wünsche ihm für die Zukunft immer die quantitative und qualitative Kraft, aus dem Engagement seiner Mitglieder heraus für Kultur in Erlangen innovativ tätig sein zu können.

Dr. Dieter Rossmeissl
Referent für Kultur, Jugend und Freizeit

Grußwort des Ehrenvorsitzenden

Noch lebhaft erinnere ich mich, wie Oberbürgermeister Hammerbacher im August 1945 mich beauftragte, die Wiedergründung des gVe zu betreiben. Der im Jahr 1876 entstandene gVe war im "Dritten Reich" von "Kraft durch Freude" aufgesaugt worden. Der sehr verantwortungsreichen Aufgabe der Wiedergründung kam ich mit großem Interesse nach, weil mir bewußt war, was das Wiedererstehen dieses ältesten und grüßten freien Kulturträgers der Stadt für die Zukunft von Erlangen bedeutete.

Am 3. Dezember 1945 fand dann die Wiedergründung im Saal des Erlanger Logengebäudes statt. Im Vorstand waren die Universität Erlangen durch Rektor Dr. Süß, die Wirtschaft durch Bernhard Meyer-Rutz, die Arbeitnehmer durch den heutigen Erlanger Ehrenbürger Peter Zink und die Stadtverwaltung durch den Unterzeichnenden vertreten. So konnte der gVe nach seiner politischen Befreiung in eine neue Welt geistiger und insbesondere kultureller Möglichkeiten hineinwachsen. Durch die Stadt wohlwollend auch materiell gefördert, hatte der gVe seine Tradition wieder gefunden. Die Geschichte des gVe seit seiner Gründung 1876 bis 1937 und die Entwicklung seit seiner Wiedergründung bis zur Gegenwart wurden an anderer Stelle gewürdigt. Mein Dank gilt all den zahlreichen Persönlichkeiten - ohne sie hier alle namentlich nennen zu können -, die im gVe gewirkt haben und noch wirken und ohne die die Entwicklung des gVe zu dem, was er heute ist, nicht möglich gewesen wäre.

Schließlich gelten meine besten Grüße und Wünsche dem künftigen Gedeihen des gVe. Seine Zukunft ruht im heutigen Vorstand unter dem Vorsitz von Notar Dr. Ruprect Kamlah in starken Händen.

Dr. Otto Hiltl
Ehrenvorsitzender des gVe

Grußwort des Vorstands

Am Vorabend des aufziehenden Stadtjubiläums 1000 Jahre Erlangen im kommenden Jahr können wir auf den Tag genau am 14.01.2001 die 125. Wiederkehr der Gründung des "Erlanger Gemeinnützigen Vereins"- wie er von den Gründern genannt wurde - feiern. Während das Datum des Stadtgeburtstages vor 1000 Jahren zweifelhaft ist, ist die Gründung des Gemeinnützigen Theater- und Konzertvereins - wie wir uns heute nennen - einwandfrei dokumentiert.

Es waren damals 80 Personen zur Gründung versammelt, 230 Beitrittserklärungen lagen vor, bei der damaligen Einwohnerzahl Erlangens wahrlich eine Art kultureller Aufbruch. Der gVe-Vorstand kann stolz darauf sein, dass unser Verein in den 125 Jahren (abgesehen vom 3. Reich) immer die Kraft und die Unterstützung in der Stadtbevölkerung erhalten hat, die ihn zum herausragenden Kulturverband in Erlangen machen. Viele der Aufgaben des Kulturlebens, die der gVe damals in Angriff genommen hat, sind inzwischen von der öffentlichen Hand übernommen worden, z.B. die Volksbildung in der Volkshochschule, das Theater, das der gVe als Gastspieltheater betrieb und dessen Leitung heute in den Händen des Intendanten liegt, oder etwa die Bildende Kunst, die nunmehr vom Kunstverein präsentiert wird.

Vor einigen Jahren haben wir - aus der Not geboren - zu Sponsoring und Fördermitgliedschaften aufgerufen und erfreuliche Resonanz gefunden. Bis heute sind 60 Fördermitglieder eingetragen, die durch ihre Beiträge den Etat des gVe unterstützen. Neben dem gVe entstand unter der aktiven Beteiligung des Vorstandes 1999 die Erlanger Kulturstiftung,die schon begonnen hat, Kultur, Künstler und kulturelle Veranstaltungen zu fördern. Sie ist von dem selben Geist getragen, der auch die Gründer des gVe bewegt hat und immer noch unser aller Anliegen ist.

Die von Ehrenamtlichen getragene Arbeit im gVe ist ein Beispiel für bürgerschaftliches Engagement in unserem Gemeinwesen. Ehrenamt hat nun auch die Aufmerksamkeit der Politiker aller Ebenen gefunden. Wollen wir hoffen, dass das Ehrenamt nicht von der Verwaltung vereinnahmt wird, denn sonst verliert es den Charakter, den es ausmacht, nämlich uneigennütziger Einsatz für die Belange der Allgemeinheit aus innerer Überzeugung, oder wie es die Gründer des gVe ausdrückten, "um so Familien und Einzelnen eine angenehme und bildende Unterhaltung mäßigen Preisen zugänglich zu machen".

In diesem Sinne bleibt der gVe im Kulturleben der Stadt auch weiter tätig. Das Stadtjubiläum dürfen wir im kommenden Jahr mit Musikern aus Erlangen und den Partnerstädten eröffnen, mit denen wir unser Engagement teilen. Dazu laden wir schon heute herzlich ein.

Dr. Ruprecht Kamlah
1. Vorsitzender des gVe

Das Festkonzert

Boris Pergamenschikow Bild

Boris Pergamenschikow  wurde 1948 in St. Petersburg geboren und studierte am dortigen Konservatorium bei Prof Emmanuel Fischmann. Bereits als Student konzertierte er mit den führenden Orchestern in Moskau und St. Petersburg. Seine Karriere begann 1974, als er den Ersten Preis und die Goldmedaille beim 5. Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewann.

Nach seiner Emigration in den Westen 1977 intensivierte er seine Konzerttätigkeit in der ganzen Welt. Er ist gefeierter Gast der wichtigsten Musikmetropolen und Festivals von Berlin bis Tokyo, von Salzburg bis Jerusalem. Sehr wichtige Anregungen erhielt Boris Pergamenschikow als Solist bzw. Kammermusiker in Zusammenarbeit mit Persönlichkeiten wie Claudio Abbado, dem Amadeus Quartett, dem Alban-Berg-Quartett, Gidon Kremer, Witold Lutoslawski, Yehudi Menuhin, Krysztof Penderecki,Mstislav Rostropovitch, Andras Schiff und Sandor Vegh. Er gab Konzerte mit den Münchner Phiiharmonikern, dem Royal Philharmonic Orchestra London, dem Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks, dem Symphony Orchestra der BBC - um nur einige zu nennen.

Das Erlanger Publikum feierte ihn in der vergangenen Saison als Cellist im Tetzlaff-Quintett.

Boris Pergamenschikow spielt auf Instrumenten von Domenico Montagnana, Venedig 1743, und Wolfgang Schnabl, Bubenreuth 1997.

Das Erlanger Kammerorchester  (EKO) feiert im Jahr 2002 sein 50jähriges Bestehen. Längst ist dieses engagierte Laienorchester unter der Leitung von Ulrich Kobilke fester Bestandteil des Erlanger Kulturlebens und willkommene Ergänzung zum professionellen Konzertbetrieb. Gerne wird dieses leistungsfähige Orchester bei repräsentativen Anlässen der Stadt - allein oder in Zusammenschlüssen mit Orchestern der Partnerstädte - oder als Partner von Kantoreien in Erlangen, Nürnberg und Fürth gebucht. Die Stadt Erlangen hat das EKO 1997 mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.

Das EKO wird zusammen mit Musikern aller Partnerstädte am 27.1.2002 das gVe-Eröffnungskonzert zu den Feierlichkeiten 1000 Jahre Erlangen gestalten.

Ulrich Kobilke Bild

Ulrich Kobilke  stand 1986 zum ersten Mal am Pult des Erlanger Kammerorchesters, das ihn 1993 zu seinem ständigen Dirigenten wählte. Seine Ausbildung zum Schulmusiker erhielt er an der Münchener Musikhochschule. Zu dieser Zeit leitete er die Prager Universitätssängerschaft. Im Dezember 2000 nahm er an einem Meisterkurs von Menahem Pressler (Beaux Arts Trio) in Basel teil. Neben seiner Tätigkeit als Seminarleiter am Ohm-Gymnasium in Erlangen hat er einen Lehrauftrag für Musikgeschichte an der Musikhochschule in Nürnberg. Als Pianist widmet er sich mit großem Vergnügen der Kammermusik.

Rainer Rubbert Bild

Rainer Rubbert  wurde 1957 in Erlangen geboren. 1968 übersiedelte er mit seinen Eltern nach Berlin. Seit 1968 hatte er Klavierunterricht, begann mit 14 Jahren zu komponieren und bestand mit 17 Jahren die Aufnahmeprüfung für Komposition an der Hochschule der Künste Berlin, wo er in der Klasse von Prof. Witold Szalonek studierte.

Seit 1979 gewann er zahlreiche Preise bei nationalen und internatronalen Kompositionswettbewerben. So war er 1985 Preisträger beim "Forum junger deutscher Komponisten für Orchestermusik", wobei die Berliner Philharmoniker sein Orchesterstück "Bewegungen" uraufführten. Außerdem wurde er mit einer Reihe von Förderpreisen und Stipendien ausgezeichnet: 1986/87 war er Stipendiat der Pariser "Cité Internationale des Arts", 1988 und 1991 erhielt er Kompositionsstipendien des Berliner Kultursenates und 1992 wurde ihm der Kunstpreis Berlin und der Förderpreis Musik der Akademie der Künste zuerkannt.

Das Werkverzeichnis von Rainer Rubbert umfaßt ein großes Repertoire an Kammermusik für die unterschiedlichsten Besetzungen, dazu Solostücke für die verschiedensten Instrumente, Solokonzerte und Orchestermusik, ferner Experimentelles und Elektronisches sowie Chormusik und Lieder, darunter Vertonungen von Gedichten Christian Morgensterns, Franz Werfels und Sarah Kirschs sowie von Texten Hanns Eislers, Arnold Schönbergs und Edmund Stoibers im Rahmen der 1998 entstandenen "Brecht-Reflexionen" für Sopran, Tenor, Sprecher und Ensemble.

Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 29 A-dur KV 201

Unter den frühen Mozart-Symphonien ist sie das Juwel: die im Frühjahr 1774 in Salzburg entstandene Symphonie KV 201 in der bei Mozart stets Besonderes signalisierenden Tonart A-dur. Das Werk ist nicht nur von unwiderstehlichem Charme und graziöser Schönheit, sondern auch von einem Reichtum an kontrapunktischer Durchbildung und filigraner Stimmführung, der an die kunstvolle Satztechnik eines Streichquartetts erinnert. Der Musikforscher Alfred Einstein sprach deshalb hier zu Recht von einer "Vertiefung der Symphonie durch imitatorische Belebung, ihrer Rettung aus dem bloß Dekorativen durch kammermusikalische Feinheit". Dies macht bereits die klanglich weiche Piano-Eröffnung des ersten Satzes deutlich: Die Ersten Violinen exponieren über einem melodisch profilierten Gewebe der übrigen Streicher das aufwärts sequenzierende Hauptthema, das nach einer kurzen Überleitung sogleich in einer dichten Imitation zwischen hohen und tiefen Streichern im Forte wiederholt wird. In der Coda wird dies noch überboten, denn neben den Violinen und Bässen beteiligen sich nun auch noch die beiden Hörner und dann die Bratschen an der imitatorischen Entfaltung des Themas.

Auch das Andante ist ein veritabler Sonatensatz. Und auch darin sind die einzelnen Stimmen wieder kammermusikalisch profiliert, wenngleich sich dies hier wohl mehr dem Betrachter der Partitur als dem Zuhörer offenbart. Denn ihren Zauber gewinnt diese Musik vor allem aus dem entspannten Duktus der Themen und dem unverwechselbaren Timbre der mit Dämpfer spielenden Violinen. Umso wirkungsvoller sind die Schlußtakte, in denen die Geiger die Dämpfer abnehmen und das Hauptthema im glanzvollen Forte erstrahlen lassen.

Das Menuett gibt sich weniger höfisch-graziös als energisch und gewichtig. Mit seiner prononcierten Rhythmik, Staccato-Artikulation und massiven Bläserbeteiligung kontrastiert es optimal zum Trio, das die Streicher mit weichen Legati dominieren. Eine Schlußbildung vom augenzwinkernden Witz und Humor Haydns steht am Ende: Ganz allein, ohne Streichbegleitung beschließen die Bläser das Menuett völlig überraschend und unerwartet mit einem Fanfarenmotiv, das eher zum Eröffnen denn zum Schließen geeignet erscheint.

Mit virtuoser Brillanz trumpft schließlich das Finale auf. Es ist erneut ein Sonatensatz, nun im Gestus einer "spritzigen" Gigue. Doch auch hier herrscht jene "imitatorische Belebung" und "kammermusikalische Feinheit", die Einstein der Symphonie attestiert hatte. So ist der von pikanten Vorschlägen eingeleitete Seitensatz wie ein musikalisches Vexierbild erfunden - der Hörer weiß nicht welcher "Melodie" er mehr Aufmerksamkeit schenken soll: dem "gemütlichen" Baßthema oder den kapriziösen Figuren der zweiten Violinen? Wie am Ende des Menuetts sind auch hier die Schlußtakte von Witz und Humor: Die aus dem eröffnenden Hauptthema gewonnene Skalenbewegung wird von den Violinen zu einer durch eineinhalb Oktaven hochjagenden A-Dur-Tonleiter erweitert, dann folgen eine Generalpause und zwei lapidare Schlußakkorde. Finis.

Joseph Haydn
Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2 D-Dur Hob. VIIb:2

Joseph Haydns Solokonzerte entstanden fast alle für Musiker der Hofkapelle des Fürsten Esterhazy, der Haydn von 1761 bis 1790 als Kapellmeister vorstand. Ausnahmen bilden die Klavierkonzerte, die Haydn für sich selbst schrieb, und das späte Trompetenkonzert, das für den Wiener Hoftrompeter Anton Weidinger entstand.

Haydns Konzerte sind also - anders als seine Symphonien und Streichquartette, die schon bald in ganz Europa Verbreitung fanden - Werke für den aktuellen Anlaß in Eszterhaza und speziell zugeschnitten auf die individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Musikers vor Ort.

Was die Cellokonzerte betrifft, vermutete man früher, Haydn habe sechs Werke dieser Gattung komponiert. Später reduzierte man die Anzahl auf drei. Heute weiß man, daß Haydn definitiv nur zwei Konzerte schrieb. Das zweite, das in D-dur, entstand 1783 und wurde l804 von dem Offenbacher Verleger André, gedruckt und veröffentlicht, und zwar mit der heute verbreiteten, aber nicht von Haydn stammenden Opuszahl 101 Der Adressat des Konzerts war mit hoher Wahrscheinlichkeit der exzellente Cellist Anton Krafft (1749-1820), damals, Anno 1783, der dienstälteste Solocellist in der Hofkapelle von Eszterhaza.

In der Behandlung des Solo-Violoncellos und des Orchesters wie in der kompositorischen Faktur scheint das D-dur-Konzert dem früheren in C-dur überlegen. Der Part des Solisten ist überaus virtuos und brillant gestaltet und in der Bevorzugung der hohen Lagen für die damaligen technischen Standards des Cellospiels extrem schwierig. Der erste Satz ist ein ausgreifendes Allegro moderato von über dreizehn Minuten Spieldauer und dabei ganz auf die Dominanz des Soloinstruments ausgerichtet. Der langsame Satz gibt sich als hintergründiges Adagio, stößt er doch im Mittelteil in unerwartete Ausdruckstiefen vor. Das wiederum hochvirtuose Rondo verhehlt nicht seine kehraushafte, tanzartige Haltung, wendet gleichwohl überraschend das Hauptthema kurz nach Moll und läßt in einer exotisch anmutenden Partie gegen Schluß sogar Intonationen der Folklore des Balkans aufklingen. Am Ende steht eine wahrhaft atemberaubende Schlußfloskel des Solisten mit "fingerbrecherischen" Tief- und Hochtonwechseln.

Rainer Rubbert
"Gegenwelten" für Orchester

Das Orchesterwerk"Gegenwelten" entstand im Jahr 2000 als Auftragskomposition anläßlich des 125-jährigen Jubiläums des Gemeinnützigen Theater- und Konzertvereins Erlangen e.V. (gVe). Idee und Faktur des Stückes erläuterte der Komponist folgendermaßen: "Realität und Traum, außen und innen, Konstruktion und Empfindung, objektiv und subjektiv - die Idee der Polarität schlägt sich strukturell in der harmonischen Gestaltung nieder: Die drei Hauptakkorde sind in ihrer Intervallanordnung, von jeweils einer Mittelachse ausgehend, symmetrisch gespiegelt, was ein 'Auffächern' gleichermaßen wie ein plötzliches 'Umschlagen' ermöglicht.

Die Kombination und die sukzessive Überlagerung der Akkordstrukturen eröffnet immer wieder neue Sicht- und Hörweisen auf das Material - ein Versuch, neben Tonhöhe und -Dauer die Tiefe/Perspektive als Dritte Dimension in die Musik einzuführen. Dies ermöglicht statische Akkorde, die sich in Bewegung auflösen, Klangblöcke, die sich türmen und permanente Klangfarbenänderung in den Akkorden selbst, vergleichbar tropischem Grün, das beim Verschwinden der Sonne aus sich selbst zu leuchten scheint.

Die scheinbaren Gegensätze durchdringen sich gegenseitig: Der strukturellen Strenge der harmonischen Ebene steht als subjektives Element ein Melodiefragment gegenüber, das (zunächst von der Ersten Klarinette und Solo-Violine vorgestellt) fortan in unterschiedlichste harmonische Zusammenhänge 'getaucht' wird und so Brückenschlag zwischen der objektiven und subjektiven Welt wird.

Alexander Glasunow
"Chant du Ménestrel" und "Sérénade espagnole"

In der unrubigen russischen Musikgeschichte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts stand Alexander Glasunow wie ein unerschütterlicher Fels. Der Sohn eines renommierten St.Petersburger Verlegers und ehemalige Schüler Rimsky-Korsakows hielt als Professor (seit 1899) und als Direktor (seit 1905) des Konservatoriums seiner Heimatstadt fast drei Jahrzehnte gleichsam "die ordnende Hand" über dem russischen Musikleben und vermittelte ungezählten Schülern (darunter Dmitri Schostakowitsch) ein solides handwerkliches Können. In seinem eigenen kompositorischen Schaffen versöhnte Glasunow die Gegensätze zwischen der "westlich" orientierten Moskauer Schule (mit Tschaikowsky als Gallionsfigur) und der national-russisch ausgerichteten Petersburger Schule (mit Mussorgsky, Borodin und Rimsky-Korsakow an der Spitze). Doch was die Musik Glasunows vor allem so bedeutend macht, ist die technisch-handwerkliche Perfektion und umfassende musikalische Bildung und Kultur ihres Komponisten. Und diese erstreckte sich sowohl auf das theoretische wie auf das praktische Terrain. Glasunow war mit allen Orchesterinstrumenten absolut vertraut. So berichtete Schostakowitsch von einer Orchesterprobe, während der ein Hornist den am Dirigentenpult stehenden Glasunow über die Unspielbarkeit einer Passage belehren wollte. Glasunow nahm daraufhin das Horn und spielte die entsprechende Stelle einwandfrei vor.

Auch mit dem Violoncello war Glasunow vertraut. Zwar schrieb er kein Konzert für dieses Instrument, dafür aber eine Reihe von Konzertstücken. Einsätzig in der formalen Anlage, lyrisch im Ton stehen sie in der Tradition von Beethovens Violinromanzen. Die hier präsentierten Werke entstanden beide für den seinerzeit geradezu legendären russischen Cellisten Alexander Werschbilowitsch (1849- 1911), der seit den 1880er Jahren mit Glasunow bekannt war und später zu dessen Kollegen am St. Petersburger Konservatorium gehörte. Der "Gesang des Troubadour" (Chant du Ménestrel) entstand 1900 und ist eine dreiteilige Romanze mit Rahmenteilen in fis-moll und einem im Tempo etwas beschleunigten Mittelteil in D-dur. Mit ihrer großen, sonoren Cellokantilene beschwört sie gleichsam den Gesang eines Barden, wobei die vielfach gezupften Streicherakkorde ein begleitendes Lauteninstrument imitieren sollen. Die "Sérénade espagnole" entstand gut zehn Jahre zuvor, 1887 und 1888, als zweites der beiden Stücke für Violoncello und Orchester op.20. Wie Glinkas Spanische Ouvertüren und Rimsky-Korsakows "Capriccio espagnole" ist Glasunows "Sérénade espagnole" ein Dokument für die Spanien-Begeisterung der russischer Komponisten in der Romantik und Spätromantik.

Klaus Meyer

10 Jahre im Dienste des gVe
Klaus Meyer

Nicht nur der gVe feiert ein Jubiläum. Auch "unser" Programmtexter, Klaus Meyer, darf ein kleines Jubiläum begehen. 10 Jahre schreibt der in Nürnberg geborene Musikwissenschaftler bereits die Einführungstexte zu den bei den gVe-Konzerten gespielten Werken. Immer wieder bestätigen die Leser seiner Texte, also unser Publikum, dass Klaus Meyer hochkomplexe Musik nicht nur verständlich und locker beschreiben kann, sondern dass gerade Anekdoten und Geschichten um die Werke und Komponisten herum das Lesen jedesmal wieder zum Vergnügen werden lassen.

Klaus Meyer wurde 1960 in Nürnberg geboren. Er studierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft und Philosophie, u.a. bei Prof. Martin Ruhnke, Klaus-Jürgen Sachs und Maximilian Forschner. Das Magisterexamen legte er 1988 mit einer Arbeit über Leonard Bernstein ab. Während des Studiums begann er eine journalistische Tätigkeit als Konzertrezensent für verschiedene Zeitungen der Region. Als Autor von Programmheft-Texten und Einführungsessays arbeitet er seit der Konzertsaison 1989/90 kontinuierlich für die Nürnberger Symphoniker, für das Westfälische Sinfonieorchester bzw. die Neue Philharmonie Westfalen sowie seit 1991 für den Gemeinnützigen Theater- und Konzertverein Erlangen e.V. Außerdem lieferte er Beiträge für die Programmbücher der Internationalen Orgelwoche Nürnberg, für das Neumarkter Solistenfest sowie für die Salzburger Festspiele. Für die Neuausgabe des "Großen Lexikons der Musik" (Honegger-Massenkeil) schrieb er zahlreiche Personenenartikel zu Komponisten des 20.Jahrhunderts. Als Autor wirkte er bei den Buchpublikationen "Leonard Bernstein", "Der Komponist" (Bonn 1989) und "Shostakovich reconsidered" (London 1998) mit. Seit 1996 ist Klaus Meyer zudem freier Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk - Studio Franken. Seine Jubiläumssendung über fünfzig Jahre Musikproduktion des Studios von 1949 bis 1999 erschien im Herbst 1999 auf CD.

Wir möchten uns an dieser Stelle recht herzlich bedanken, Klaus Meyer alles Gute wünschen und uns, dass er uns als Programmschreiber erhalten bleibt.

eko.xml: Di, 10. Okt 2006