Erlanger Tagblatt zu den Konzerten am 30. Juni und 1. Juli 2001 in Pommersfelden

 

Beethoven-Abend in Pommersfelden

Das Erlanger Kammerorchester widmete sich neben dem Violinkonzert auch Raritäten des Klassikers

Nur Beethoven, das kann langweilig werden. Aber: Glücklich die Amateur-Musikvereinigung, die einen so motivierenden Dirigenten und einen so engagierten Konzertmeister wie das Erlanger Kammerorchester hat. Ulrich Kobilke und Mathias Bock machten den Auftritt der Erlanger in Schloss Pommersfelden zu einem Erlebnis.

Eine gewisse Spannung versprach das Programm, denn die traditionelle Sommerserenade des Orchesters hatte außer einem Beethovenschen Ohrwurm in der Mitte zwei doch recht unbekannte Stücke des Vielgespielten an Anfang und Ende gesetzt: die "Musik zu einem Ritterballett" aus frühen und die 1989 von dem englischen Musikwissenschaftler Barry Cooper instrumentierten Skizzen zu dem ersten Satz einer zehnten Symphonie aus späten Schaffensjahren.

Ulrich Kobilke führte das Kammerorchester sicher durch diese beiden so unterschiedlichen Partituren mit fast gleicher, viertelstündiger Länge. Zunächst abwechslungsreich und leicht verdaulich die acht mlt einfallsreichen programmatischen Effekten gespickten Kurzsätze, die sicher schon 1791 die Zuhörer im Bonner Redoutensaal erfreut und erfrischt haben dürften. Dann nach der Pause dieser Satz von Beethovens so genannter Zehnter: Ein Stück, dem im Vergleich zu den in diesen Jahren entstandenen späten Streichquartetten die Uberzeugungskraft fehlt. Und doch: Als Werkinterpretation am Ende der Klassik und am Beginn der Romantik (drei Jahre nach Beethovens Tod wird Hector Berlioz' "Symphonie fantastique" uraufgeführt) hat auch dieser nicht ganz echte Beethoven seinen Reiz, erfüllt aber sicherlich nicht hoch gespannte Erwartungen.

Auf jeden Fall hat das Stück einen Punkt für Originalität verdient, der zu gleichen Teilen gehen kann an Beethoven, an seinen Skizzenbearbeiter und an das Kammerorchester, das diese Rarität einmal dem Konzertsaal anvertraut hat. In den Bereich Originalität flel übrigens auch die Zugabe: Eine Beethovensche Klavier-Bagatelle, für Instrumente eingerichtet von Eduard Pöschl, Kontrabassist im Kammerorchester.

Höhepunkt des Abends war die Aufführung des D-Dur-Violinkonzerts durch das Kammerorchester und seinen Konzertmeister Mathias Bock. Beeindruckend war vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der an dieses große Solokonzert herangegangen Wurde. Wenn die Erlanger Musikfreunde sich auch glücklich schätzen dürfen, am 15. September Christian Tetzlaff mit Beethovens Violinkonzert beim gVe m der Stadthalle erleben zu können: Dieses ruhige, bisweilen auch schlichte und heitere Werk bleibt auch ohne Star ein Erlebnis.

Dass ~Bock auch als Solist Primus inter Pares bleiben wollte, machte er deutlich, als er vor seinem Soloeinsatz die Tutti-Passagen des Orchesters mitspielte. Das war stimmig und dazu passte, dass sich Ulrich Kobilke und Mathias Bock noch vor Entgegennahme des Beifalls freundschaftlich umarmten. Der Geiger bedankte sich für den Applaus mit einer Bach-Zugabe.

Zum Auftakt des Stadtjubiläums 1000 Jahre Erlangen wird das Kammerorchester mit Musikern aus den Partnerstädten unter Leitung von Ulrich Kobilke Felix Mendelssohn Bartholdys Symphonie Nr. 2 mit dem Titel "Lobgesang" aufführen. Mit dem Beethoven-Schwung der Sommerserenade hätte es sicher auch die Neunte mit "Freude, schöner Gotterfunken" gemeistert. Das Publikum jedenfalls war begeistert, und Ulrich Kobilke musste, um dem Applaus ein Ende zu bereiten, seinen Konzertmeister und das Orchester leise aber bestimmt vom Podium herunterlotsen.

KLAUS SPRINGEN

eko.xml: So, 24. Aug 2003