Nordbayerische Zeitung zu dem Konzert am 14. Januar in Erlangen

 

Ein folgenreicher Aufruf, der bis heute Früchte trägt

Vor 125 Jahren wurde der "Erlanger gemeinnützige Verein" gegründet - Konzert und Empfang zum Jubiläum

125 Jahre gVe. Ob dem Medizinstudenten Friedrich Auffhammer, dem Kaufmann Paul Müller oder dem Stadtkantor Preis bewusst war, wie folgenreich ihr Aufruf werden sollte, den sie an einem Januartag des Jahres 1876 verfassten? Mit 23 Gleichgesinnten forderten sie damals die Gründung des "Erlanger gemeinnützigen Vereins", von dem sie einen Beitrag "zur Hebung der Stadt und des Lebens in ihr" erhofften.

Neue Aussichten

Das Ergebnis dieser frühen Bürgerinitiative trug schnell Früchte. Schon im ersten Jahr zählte man 250 Beitritte - angesichts der 12000 Einwohner eine wahre Massenbewegung - und konnte auch erste Erfolge vermelden: Der Spielbetrieb im verwaisten Stadttheater wurde wieder aufgenommen, Kunstausstellungen folgten und der Rathsberg erhielt einen Aussichtsturm.

Wenn Ruprecht Kamlah, derzeitiger Vorsitzender des "Gemeinnützigen Theater- und Konzertvereins Erlangen" (gVe) und Hermann Gumbmann in Stellvertretung des Oberbürgermeisters in ihren Grußworten zum 125-jährigen Gründungsjubiläum diese Fakten nur kurz streifen, so ist das nicht nur ein Zugeständnis an ein Publikum in der Heinrich-Lades-Halle, das lieber Noten statt Worte hört. Es zählt auch als Kompliment, dass dem Erlanger zum gVe nicht mehr viel gesagt werden muss. Mit seinen 1200 Mitgliedern gehört er zu den Stützen des Kulturlebens in der Siemensstadt: Ob es nun die beiden großen Konzertabonnementreihen sind oder das Kulturreiseprogramm, das Engagement für das örtliche Theater oder die neu geschaffene Kulturstiftung: Im Kulturbetrieb ist der gVe eine Institution.

Wie hieß es schon 1876: "Ein anderes Vorhaben ist dahin gerichtet, regelmäßig wiederkehrende gute Instrumental-Concerte zu veranstalten." Mit dem Cellisten Boris Pergamenschikow löste man dieses Versprechen beim Jubiläumskonzert nun ein, an der Seite des Erlanger Kammerorchesters verlieh er bei Joseph Haydns diffizilem Konzert in D-Dur seinem Instrument wahre Flügel. Schon vorher zeigte sich das mit dem Erlanger Kulturpreis bedachte Orchester in festtagsgemäßer Spiellaune, präsentierte unter dem Dirigat von Ulrich Kobilke Mozarts A-Dur-Symphonie mit Verve und schöner Klangbalance.

Spätromantisch

Doch das Porträt des gVe wäre ein unvollständiges, würde sein Wirken im Bereich der Neuen Musik unerwähnt bleiben. "TaktWechsel" lautet diese weitere Programmschiene, die mit einer Auftragskomposition des in Erlangen geborenen Wahlberliners Rainer Rubbert die zeitgenössische Musik ins Rampenlicht rückte. Zu spätromantischer Größe weitete sich der Orchesterapparat, wie es das Stück "Gegenwelten" verlangte. Eine gleichermaßen melancholisch wie experimentell wirkende Ästhetik zu Polarität und Empfindung, mit spröden Klangflächen und Akkordauffächerungen zwischen Zweiter Wiener Schule und Charles Ives. Ein Werk, das bei den Zuhörern nicht jene enthusiastische Zustimmung hervorrief, die Glasunovs Salonstückchen des "Chant du Ménestrel" oder seiner "Sérénade espagnole" zum Abschluss entgegenschlug.

Schade, denn schließlich löste Rubberts Beitrag mit seinen Höreindrücken den Anspruch von 1876 ein, eine vielleicht weniger "angenehme", aber dafür "bildende Unterhaltung zugänglich gemacht zu haben". Doch darüber ließ sich ja beim anschließenden Empfang mit reichlich Wein und wenig Gebäck wunderbar diskutieren.

Peter Löw

eko.xml: Sa, 29. Mai 2004