Sommerserenade Samstag/Sonntag, 1./2. Juli 2000, Schloss Weißenstein, Pommersfelden

 

Erlanger Kammerorchester
Leitung: Ulrich Kobilke
Solisten: Elisabeth Kufferath, Mathias Bock, Violinen


Wolfgang Amadeus Mozart

Ouvertüre zu "Der Schauspieldirektor", KV 486

Johann Sebastian Bach

Konzert für 2 Violinen, Streicher und Basso continuo d-moll BWV 1043 "Doppelkonzert"

Vivace
Largo ma non tanto
Allegro

Franz Schubert

Rondo für Violine und Streicher A-Dur D 438

Adagio - Allegro giusto

Symphonie Nr. 3 D-Dur, D 200

Adagio maestoso - Allegro con brio
Allegretto
Menuetto (Vivace)
Presto vivace

Wolfgang Amadeus Mozart

(1756 - 1791)

Ouvertüre zu "Der Schauspieldirektor" KV 486

"Der Schauspieldirektor" ist eine Komödie mit Musik in einem Aufzug nach einem Text von Gottlieb Stephan, der für Mozart schon das Libretto zur "Entführung aus dem Serail" geschrieben hatte. Das witzige, an Situationskomik reiche Stück handelt von den Widrigkeiten und Fährnissen, die es bei der Aufstellung einer Wanderbühne zu überwinden gilt - von den Rivalitäten und Eifersüchteleien zwischen den Sängern, von Kompromissen, die einzugehen sind, etwa mit dem reichen Sponsor, der seine Geldmittel nur dann bereitstellt, wenn auch seine Geliebte engagiert wird (die nur leider völlig untalentiert ist). Doch alle Probleme werden vom Schauspieldirektor gemeistert, und das Stück schließt mit einem Happy-End.

Mozart schrieb die Musik 1786 in zeitlicher Nachbarschaft zur "Hochzeit des Figaro" für ein "Lustfest" in der Orangerie des Wiener Schlosses Schönbrunn. Die Partitur besteht neben der Ouvertüre aus lediglich vier Nummern (zwei Arien, einem Terzett und einem Schluß-Rundgesang). Doch gehört dies zum wertvollsten, was Mozart hinterlassen hat. Zumal die Ouvertüre ist nicht weniger als ein Geniestreich. Sie ist polyphoner gearbeitet als die Ouvertüre zur "Zauberflöte" und obwohl Mozart darin nicht eigentlich auf kontrapunktische Formen zurückgreift, ist die "Schauspieldirektor"-Ouvertüre nicht weniger poIyphon als das Finale der "Jupiter"-Symphonie. Der höchste Grad an polyphoner Dichte wird in der Coda erreicht, die das erste und das zweite Thema miteinander kombiniert und das Stück hochgestimmt beschließt.

Johann Sebastian Bach

(1685 - 1750)

Konzert für 2 Violinen, Streicher und Basso continuo d-moll BWV 1043 "Doppelkonzert"

Die meisten seiner Konzerte komponierte Johann Sebastian Bach in Köthen, wo er zwischen 1717 und 1723 als Hofkapellmeister im Dienst des Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen stand. Zu den konzertanten Werken aus jenen Jahren zählen unter anderem die berühmten sechs "Brandenburgischen Konzerte", die beiden Violinkonzerte in a-moll und in E-Dur sowie das sogenannte "Doppelkonzert" in d-moll. In seiner musikalischen Schönheit, in seinem kompositorischen Reichtum und in der Entfaltung geigerischer Virtuosität und Spielfreude stellt das "Doppelkonzert" ein Juwel der konzertanten Literatur für Violine und Orchester dar. Wie alle Bachschen Violinkonzerte zeigt es die dreisätzige Anlage der Vivaldi-Konzerte. Doch auch hier bildet das Modell des Vivaldischen Konzertsatzes gleichsam nur ein Gefäß, das Bach auf seine ganz eigene Art und Weise auffüllt: mit reichen Kontrapunkten, profilierten Begleitfiguren, dichten Motiv-Imitationen.

Gleich das Eröffnungstutti des Vivace ist als Fugenexposition gestaltet. Daraus entwickelt sich ein komplexer, stark motorisch geprägter Verlauf, der durch das permanente Mit- und Gegeneinander der beiden Solisten geradezu dramatischen Impetus gewinnt. Das Largo gehört zu den schönsten und populärsten Instrumentalsätzen Bachs überhaupt, vergleichbar dem "Air" aus der D-Dur-Orchestersuite. Eine ruhig und gleichmäßig pulsierende Begleitung im 12/8-Takt bildet die Grundlage für die schwärmerischen und innig ineinander verschlungenen Kantilenen der beiden Soloviolinen. Das abschließende Allegro kehrt zur raschen und unermüdlichen Motorik des Eingangsvivace zurück, überbietet dieses jedoch an Tempo und Intensität. So beginnt der Satz als Kanon der unmittelbar hintereinander einsetzenden Solisten, wobei durch den Einsatzabstand und die Orchesterbegleitung der 3/4-Takt gleichsam überspielt und dem Hörer ein 2/4-Takt suggeriert wird.

Franz Schubert

(1797 - 1828)

Rondo für Violine und Streicher A-Dur D 438

Franz Schubert hat merkwürdigerweise kein einziges echtes Solokonzert geschrieben: vielleicht weil das Prinzip der "inszenierten" Virtuosität, wie es beim konzertanten Mit- und Gegeneinander von Solist und Orchester gefordert ist, seinem musikalischen Naturell fernlag. Im Jahr 1816 entstanden gleichwohl einige Werke, die wie verkappte Solokonzerte anmuten: das Konzertstück für Violine und Orchester (D 345), das Rondo für Violine und Streicher (D 438) und das "Adagio e Rondo concertante" für Klavier und Streicher (D 487). Obwohl die Bezeichnung "Adagio" nur im Titel des letzten Stücks vorkommt, zeigen auch die beiden anderen Werke eine zweiteilige Anlage aus einem langsamen ersten und einem schnellen zweiten Teil. Im Violinrondo ist das eröffnende Adagio so umfangreich und gewichtig, daß es mehr wie ein eigenständiger Satz als eine langsame Einleitung erscheint. Insofern gibt sich das Werk wie ein Solokonzert, bei dem auf den schnellen ersten Satz verzichtet wurde. Das Soloinstrument ist durchaus virtuos behandeIt und dominiert im schnellen Teil uneingeschränkt das musikalische Geschehen; die Funktion des Streichorchesters ist hier größtenteils auf eine reine Begleitfunktion reduziert. Zumindest zwei der Rondothemen sind von großer Eingängigkeit, wobei das zweite deutlich vom Duett Papageno/Papagena ("liebe, kleine Kinderlein") aus Mozarts "Zauberflöte" inspiriert zu sein scheint.

Symphonie Nr. 3 D-Dur D 200

Die ersten fünf oder sechs Symphonien Schuberts stehen nach wie vor im Schatten ihrer späteren Schwesterwerke. Sie werden geringschätzig als "Jugendwerke" apostrophiert und als bloße "Stilübungen" klassischer Symphonik abgetan. Sicherlich: Mozart, Beethoven und vor allem Haydn stehen unverkennbar hinter diesen Partituren, und selbst Rossini läßt bisweilen grüßen. Aber dies ist kein Indiz für Schuberts damalige kompositorische Unreife, sondern zeigt, wie genau er die Musik seiner großen Vorgänger und Zeitgenossen kannte und wie sehr er darum bemüht war, an diese Tradition anzuknüpfen.

Dies geschah in durchaus eigenständiger und erneuernder Weise. Und der Reiz der frühen Schubert-Symphonien besteht nicht zuletzt in der Art, in der der junge Komponist Modelle und Tonfülle seiner Vorbilder übernahm und dann wie selbstverständlich in seine ureigenste Tonsprache zu integrieren wußte. Darüber hinaus sind alle frühen Symphonien Schuberts von einem unwiderstehlichen jugendlichen Charme, der all jene Qualitäten vergessen läßt, die erst die "Unvollendete" und die "Große C-Dur-Symphonie" aufweisen.

Die Dritte Symphonie, die innerhalb von nur neun Tagen im Juli 1815 niedergeschrieben wurde, beginnt mit einer majestätisch-großartigen Adagio-Einleitung, deren gebieterischer Tuttischlag zu Beginn sofort entsprechende Symphonie-Eröffnungen von Haydn oder Beethoven in Erinnerung ruft. Aber spätestens der Einsatz des Allegro con brio zeigt, daß es sich bei dieser Symphonie keineswegs um eine Stilübung in Sachen klassischer Symphonik handelt. Vorwitzig gibt die erste Klarinette mit einem eintaktigen Motiv die Impulse für zügig und beschwingt vorwärtsdrängende Entwicklungen. Das älplerisch getönte Motiv, das fast wie ein Jodler anmutet, ist Welten vom klassischen "Ton" Haydns, Mozarts oder Beethovens entfernt und gibt zu erkennen, daß Schubert gewillt ist. ein neues Kapitel in der Geschichte der österreichischen Symphonik aufzuschlagen.

Auch die beiden Mittelsätze zeigen dieses Gegen- und Nebeneinander von "Echos" der Klassiker und genuin Schubertschen Tonfällen. Das Allegretto gibt sich zunächst wie ein Variationssatz aus einer Haydn-Symphonie, doch das Klarinettenthema über "Um-pah-Um-pah"-Begleitung des Mittelteiles holt die Tanzboden-Atmosphäre der Wiener Vorstadt in den Konzertsaal, wie es nur Schubert konnte. Das Menuett gemahnt mit seinen Akzenten gegen den Takt zwar an ein Beethoven-Scherzo, aber das ländlerhafte Trio atmet wieder ganz und gar Schubertisch. Eine Hommage an Rossini stellt schließlich das im Rhythmus einer Tarantella gehaltene Finale dar. Zugleich ist dieser stürmisch bewegte und dynamisch kontrastreiche Sonatensatz ein Meisterstück in kohärenter kompositorischer Gestaltung, die vor allem in den kühnen harmonischen Verbindungen, in den auffälligen klanglichen "Farbwechseln" (h-moll/B-Dur in der Exposition, fis-moll/F-Dur in der Reprise) die ureigenste Tonsprache Franz Schuberts verrät.

Klaus Meyer

Elisabeth Kufferath

Die Hamburger Geigerin Elisabeth Kufferath studierte an der Musikhochschule Lübeck bei Uwe-Martin Haiberg und Nora Chastain und als Stipendiatin am Cleveland Institute of Music in den USA bei Donald Weilerstein. Meisterkurse bei Pinchas Zukerman, Joseph Gingold, Miriam Fried und Walter Levin rundeten ihre Ausbildung ab. Seit 1996 ist sie 2. Konzertmeisterin der Bamberger Symphoniker. Weiter ist sie als Dozentin für Violine beim Interlochen Center for the Arts, Michigan/USA tätig.

Elisabeth Kufferath war mehrfache Bundespreisträgerin bei "Jugend musiziert" und gewann den Preis des NDR Sinfonieorchesters Hamburg. Sie wurde als Stipendiatin von der Stiftung Villa Musica gefördert. Außerdem war sie Gewinnerin des Cleveland Concerto Competition 1991 und 1. Preisträgerin beim Vienna Modern Masters International Competition in Wien 1996.

Als Solistin trat sie mit dem Kölner Kammerorchester, dem Göttinger Sinfonieorchester, dem Bundesjugendorchester und dem Cleveland Chamber Orchestra auf, konzertierte in der Hamburger Musikhalle, der Kölner Philharmonie, im europäischen Ausland und in den USA. Tourneen führten sie nach China, Israel und Rußland mit Konzerten unter anderem in Beijing, Tel Aviv, Moskau und St.Petersburg. In der Saison 1999/2000 hat sie eine Südostasientournee als Solistin des Münchener Kammerorchesters unternommen und wird mit dem Bangkok Symphony Orchestra auftreten. Als Kammermusikerin spielte sie mit Christian Tetzlaff, Pierre-Laurent Aimard, Alexei Lubimov, Patrick Demenga und Isabelle van Keulen, trat in der Berliner Philharmonie auf und war zu Gast bei vielen renommierten Festivals wie den Berliner Festwochen, dem Schleswig-Holstein Festival, dem Baden-Badener Musiksommer, den Wittener Tagen für Neue Musik, dem St. Gallen Kammermusikfestival, dem Internationalen Musikfestival Davos/Schweiz und verschiedenen Festivals in den USA (Ravinia, Aspen, Sarasota und Interlochen Arts Festival).

Ulrich Kobilke

stand 1986 zum ersten Mal am Pult des Erlanger Kammerorchesters, das ihn 1993 zu seinem ständigen Dirigenten wählte.

Seine Ausbildung zum Schulmusiker erhielt er an der Münchener Musikhochschule. Zu dieser Zeit leitete er die Prager Universitätssängerschaft in München.

Er ist in Erlangen als Seminarlehrer tätig und hat einen Lehrauftrag für Musikgeschichte an der Musikhochschule Nürnberg. Als Pianist widmet er sich mit großem Vergnügen der Kammermusik.

Mathias Bock

Der in Finnland geborene Geiger absolvierte sein Studium an der Musikhochschule Stuttgart bei Prof. Keltsch und bei Prof. Th. Egel-Goldschmidt an der Musikhochschule Würzburg. Die weitere Ausbildung erfolgte bei Lydia Dubrovskaya in Augsburg.

Mathias Bock ist seit 1991 Mitglied der Nürnberger Symphoniker. Als Gründer des "Symphonischen Streichtrios Nürnberg" ist er mit diesem durch zahlreiche Auftritte bekannt geworden. Neben seiner Orchester- und Konzerttätigkeit besitzt er ein großes pädagogisches Engagement, von dem seine bei vielen Wettbewerben erfolgreichen Schüler profitieren.

Er ist seit einigen Jahren 1. Konzertmeister des Erlanger Kammerorchesters. Bei mehreren Konzerten, auch mit befreundeten Orchestern wie dem Kammerorchester der Jenaer Philharmonie, hatte er bereits Soloauftritte mit Werken von Mozart. Schubert und Prokofieff.

eko.xml: Sa, 29. Mai 2004